Armin Kratzert, Schriftsteller, Kritiker, Journalist,

Leiter der Redaktion Kunst  und Literatur, Bayerisches Fernsehen

 

zur Ausstellung Arno Backhaus, Galerie Pia Arce, 18. Januar 2012

 

Sie könnten jetzt Ihr Mobiltelefon aus der Tasche ziehen und ein Foto machen. Von mir, oder von Ihrer Begleitung, oder von Arno Backhaus. Jeder kann das, denn jeder hat so ein Gerät in der Tasche. Und alle tun es, unablässig, überall auf der Welt, millionenfach.

Es entstehen dauernd Bilder, Bilder von Tieren, Autos, Kaffeetassen, Sonnenuntergängen oder Menschen. Unzählige Portraits, die nichts sagen, und die auch meist keiner mehr anschaut.

Vor 500 Jahren war das anders. Da gab es noch keine Handys. Aber es gab auch noch keine Portraits.

Gemalt wurden, im Mittelalter, bis zur Renaissance, idealisierte Heiligenbilder vor Goldgrund, und die Regeln dafür waren ziemlich streng.

Natürlich gab es irgendwann einen, der die Regeln brach. Albrecht Dürer zum Beispiel. Er malte seinen Nachbarn, so wie er eben aussah. Und sich selbst. Das war ein Skandal. Es sah spektakulär schön aus. Und es machte Dürer berühmt.

So etwa wurde die Portraitmalerei erfunden, also das realistische, eine Persönlichkeit psychologisch ausdeutende Bild des Menschen. Und die war der Maßstab für die Kunst eines Malers, eben für die nächsten 500 Jahre.

Dann wurde die Fotografie erfunden. Und, Sie wissen es, jeder konnte jetzt ein Bildnis machen. Gut oder schlecht, das spielte irgendwann keine Rolle mehr.

Die Maler mussten sich also etwas Neues ausdenken.

Picasso zum Beispiel hat das Portrait einfach zersplittert, deformiert, dekonstruiert – und so das 20. Jahrhundert begonnen.

Aber jetzt sind wir im 21. Wie geht heute ein Portrait?

Es geht vielleicht gar nicht mehr. Es sind schon alle gemalt.

Deshalb macht Arno Backhaus etwas anderes. Er malt kein Bild von mir oder Ihrer Begleitung oder von sich selbst. Er geht zurück zu den Anfängen der Malerei.

Er macht eine Ikone. Ein Heiligenbild – aber von dieser Welt.

Backhaus malt keinen Menschen, sondern einen Typen. Das Mädchen. Der Handwerker. Die Tänzerin. Damit sind alle Fragen neu gestellt. Ich ist nicht mehr Ich. Das Bild eines Mannes erzählt nichts mehr über: Armin Kratzert aus München.

Sondern es fragt: Wer bin ich? Was mache ich hier? Wo gehe ich hin? Was wird aus uns werden? Und: Wie hat es überhaupt angefangen?

Arno Backhaus erforscht also Möglichkeiten. Wer könnte ich sein? Identität ist bei ihm etwas Vorläufiges, eine Skizze, ein Vorschlag, vielleicht ein Konzept, manchmal nur ein Zufall.

Genau so funktioniert die Moderne.

Das ist eine so mutige wie radikale Methode, ein Bild des Menschen zu versuchen. Und: Sie entwickelt eine ganz eigene Poesie. Denn Backhaus ist natürlich kein Theoretiker der Kunst, sondern ein Maler. Das heißt: Wir können sehen, dass er malt. Seine Figuren leben. Sie bewegen sich. Sie sprechen zu uns.

Und: Sie treten in Beziehung zu anderen. Das ist vielleicht das tollste an den Bildern von Arno Backhaus: Wie sie miteinander reden. Wie sie Geschichten erzählen. Wie aus einer Reihe von zwei oder drei oder vier Bildern eine Idee wird, ein Roman, eine Welt. Wir müssen nur hinschauen. Und zuhören…

 

 

 

Prof. Dr. Andreas Kühne, Kunsthistoriker

Gedanken zu Bildern von Arno Backhaus


Im Morgengrauen

 

Müllmänner als Bildsujet sind eher rar: Nur wenige Künstler dürften von ihnen inspiriert worden sein. Dabei geben sie als Gegenstand durchaus einiges her. Je nach Haltung lassen sich ihnen entweder pittoreske oder deprimierend realistische Züge abgewinnen. Sogar eine emblematische Verwertung ist denkbar. Etwa im Sinne des Literatur- und Kunsttheoretikers Walter Benjamin, der - allerdings in Worten – mit Blick auf den Soziologen Siegfried Kracauer im Jahr 1930 ein solches Bild entwarf: „ ... Ein   einzelner. Ein Mißvergnügter, kein Führer. Kein Gründer, ein Spielverderber. Und wollen wir ganz für sich uns in der Einsamkeit seines Gewerbes und Trachtens ihn vorstellen, so sehen wir: Einen Lumpensammler frühe im Morgengrauen, der mit seinem Stock die Redelumpen und Sprachfetzen aufsticht, um sie murrend und störrisch, ein wenig versoffen, in seinen Karren zu werfen, nicht ohne ab und zu einen oder den anderen dieser ausgeblichenen Kattune ‚Menschentum’, ‚Innerlichkeit’, ‚Vertiefung’ spöttisch im Morgenwinde flattern zu lassen. Ein Lumpensammler, frühe - im Morgengrauen des Revolutionstages.“

 

Nun blieb die Revolution bekanntermaßen aus. Auch 1968, als sie ein weiteres Mal proklamiert wurde, fand sie nicht statt. Benjamin, der in den 60er und 70er Jahren eifrig gelesen wurde, ist nicht mehr Mode - was keineswegs bedeutet, daß seine Lektüre sich nicht mehr lohnt -, und seine Emphase wirkt heute vielfach unbegreiflich. Müllmänner als Sujet zum Beispiel haben hier und heute, im westlichen Europa des frühen 21. Jahrhunderts, andere Valenzen. Auf den neueren Bildern von Arno Backhaus tauchten sie mehrfach auf. Benjamin-Leser mögen sich an die Stelle mit dem Lumpensammler erinnern - und der Kontrast könnte größer nicht sein.

 

Da steuert ein Müllmann eine Kehrmaschine. Den Blick unbeirrt geradeaus gerichtet, ist er unterwegs auf einer anscheinend leeren Straße. Der Eindruck von Sauberkeit drängte sich auf, huschten da nicht auf dem Gehsteig, nahe dem Gully, die drei Ratten. Der Mann auf der Kehrmaschine scheint sie nicht zu bemerken, jedenfalls schenkt er ihnen keine Beachtung. Um so weniger kann der Betrachter sie übersehen. Sie und der Abfall, von dem sie leben, werden immer da sein; die zukunftslose Kargheit, die aus dem streng komponierten Bild zu sprechen scheint, verbürgt die Wiederkehr des ewig Gleichen: Jeden Tag wird der Müllmann seine Runde drehen, nie wird sich etwas ändern. Backhaus, der die 68er Revolte als Jugendlicher miterlebte bringt lakonisch einen Zustand ins Bild, nicht mehr. Oder doch ... ?

 

Arno Backhaus hat einen stringenten Stil entwickelt: Klare, überschaubare Linienkonfigurationen, die in äußerster Knappheit Figuren und Objekte andeuten, lapidar auf die Fläche gesetzt. Die Müllmänner gehören zur Serie der „Berufsbilder“, die einigen, an sich wenig aufregenden Berufen gewidmet sind: vom Müllmann bis zum Geldscheine zählenden Bankangestellten. Niemand freilich wird diese Bilder für reportageartige Schnappschüsse aus der Arbeitswelt halten, für Duplikate einer Wirklichkeit, die man ohnehin kennt oder zu kennen glaubt. Dazu sind sie zu sehr Formulierungen in einer bildnerischer Kurzschrift, deren ästhetischer Wert nicht aus dem Mimetischen herrührt. Trotzdem beziehen sie sich ersichtlich auf eine prinzipiell für jeden erfahrbare Wirklichkeit. Allerdings fügen dieser Wirklichkeit etwas hinzu.

Mit dem deutschen Kunstwissenschaftler Gottfried Boehm können wir vermuten, daß sie dies tun, weil sie - wie auch andere Bilder der Moderne und der Postmoderne - eine Einheit kontrastierender, logisch an sich nicht immer miteinander verbundener Elemente sind, die aber - und das ist immer wieder überraschend - bei entsprechender Fügung etwas Lebendiges ergeben. Dieser Einheit des Heterogenen verdankt es sich vermutlich auch, daß sie einerseits in sich selbst leben, und andererseits danach zu verlangen scheinen, in Beziehung zur übrigen Welt gesetzt, mit anderen Worten, gedeutet zu werden. Es macht ihren Rang aus, daß sie von keiner Deutung restlos auszuschöpfen sind. Ein Bild ist, wie es Böhm in der Sprache des Theoretikers formuliert, ein „Sehangebot, das Identität besitzt, insofern es durch keine außerikonische Sichtbarkeit zu substituieren ist“. Bevor wir uns auf die Suche nach dieser „außerikonischen Sichtbarkeit“ begeben, wollen wir Arno Backhaus selbst zu Wort kommen lassen.

 

Ihn interessiere es - so schreibt er in einem seiner unveröffentlichten Notate, in denen er über die Gründe und Inhalte seiner Bilder nachdenkt - mit den Mitteln der Malerei die Wirklichkeit zu kommentieren, sie in Frage zu stellen oder sie zu überschreiten. Dies geschehe in einem Spannungsfeld zwischen der erfahrenen Realität und der Sehnsucht.

 

Diese Selbstaussage sollte jedoch nicht so verstanden werden, als teile sich sein Werk in Realitäts- und Sehnsuchtsbilder. Das Spannungsfeld erfüllt - wenn auch in unterschiedlicher Deutlichkeit – fast jedes einzelne seiner Bilder.

Gehen wir zunächst vom Pol der Wirklichkeit aus. Arno Backhaus scheint einen ganz arglosen, im Wortsinne naiven Blick auf sie zu werfen. Seine Müllmänner fahren die Kehrmaschine oder schieben verschlossene Rollcontainer. Anders als Benjamins emblematischer Lumpensammler lassen sie keine Fetzen im Morgengrauen flattern, und sollten sie es doch einmal tun, wäre es gewiß nicht das Morgengrauen des Revolutionstages, das Benjamin emphatisch beschwor. Aufs Äußerste reduziert, wirken sie nahezu emotionslos. Überhaupt zeigen Backhaus' Menschen keine Spur von Individualität, ganz gleich, womit sie sich befassen oder in welcher Situation sie sich befinden. Ihre Gesichter drücken nichts aus. In ihrer Emotionslosigkeit sind sie entfernte Verwandte der Figuren Fernand Legérs. Natürlich liegt in vieler Hinsicht eine große Distanz zwischen diesem, in alles Technisch-Konstruktive vernarrten Künstler - der übrigens Benjamins Glauben an das „Morgengrauen des Revolutionstages“ teilte - und Arno Backhaus, dessen Bilder viel spontaner wirken. Doch eines verbindet sie: Beide sind sie letztlich Nachfahren des Zöllners Henri Rousseau. Und wie er haben sie Teil an einer Sichtweise, wie sie Jahrhunderte anonymer - und auch volkstümlicher - Kunstproduktion besaßen, denen die Vorstellung von der Individualität als höchstem Gut des Menschen fremd war und die deshalb die menschliche Figur und das menschliche Gesicht nicht durch persönliche Ausdruckswerte charakterisierten. Analytische Blicke ins Innere sind dieser Sichtweise fremd. Bezeichnenderweise interessierten sich solche Künstler in der Regel auch wenig für die Raumtiefe.  

 

Ähnliches gilt auch für die volkstümlichen Geschichten, die von Generation zu Generation weitergetragen wurden, die Märchen: Märchenfiguren - so der Schweizer Märchenforscher Max Lüthi - haben keine Individualität und kein Innenleben. Überhaupt zeichnen sich Märchen durch einen abstrakten Stil aus. Aber wie tief sie emotional zu berühren vermögen, darüber kann sich jeder Rechenschaft ablegen, der sich an seine eigene Kindheit erinnert.

 

Es ist sicher kein Zufall, daß ein Hauch von Märchen oder Traum auf oft schwer greifbare Weise in vielen Bildern von Arno Backhaus mitschwingt. Nicht auf der mimetischen oder narrativen Ebene; eher ist es eine Frage der Atmosphäre, die der Maler durch subtile Farbgebung zu erzeugen vermag. Auch hier ist er ein Meister der Reduktion, der mit präziser Intuition gerade so viele Akzente setzt wie nötig sind, um ein Höchstmaß an Ausgewogenheit oder auch an Spannung zu erzeugen. Aber es ist nicht allein die Farbe. Die Verwandlung des Alltäglichen ins Nichtalltägliche findet in diesem Werk gleitend statt. Die Gerätschaften, mit denen die Protagonisten der „Berufsbilder“ hantieren, sind teilweise kaum oder gar nicht zu identifizieren, teilweise sind sie rätselhaft oder surreal. Der Fischer, der unter dem Nachthimmel vor seinem Boot steht und in der Hand eine merkwürdige Tafel hält, auf der ein Vogel zu sehen ist, könnte „real“ sein - ein Mann mit einem Bild in der Hand -, aber genausogut - und die anscheinend so einfache, in Wirklichkeit höchst raffinierte Farbkomposition evoziert eher letzteres - könnte er die Hauptfigur in einem „großen“ mythischen Traum sein. Die Meeresszenen, die Frauen am Strand, im Südsee-Kostüm oder im Bikini, die nicht wenige dieser Bilder bevölkern, können ebenso der äußeren Welt angehören, wie sie Traum- und Phantasiebilder sind. Der kleine Maler, dessen Pinsel zum Speer und dessen Palette zum Schild geworden sind, stellt ein nicht aufzulösendes Rätsel dar, oszillierend zwischen freundlicher Ironie und gelebtem Traum. Betrachter dieser Bilder sollten sich das Beckettsche Diktum vor Augen halten, daß, wer Symbole sucht, dies auf eigene Gefahr tut.

 

Nein, Arno Backhaus malt weder die schnöde Wirklichkeit kritiklos ab, noch entwirft er Idyllen. Der Überschuß, mit dem bei ihm Märchenhaftes, Traumhaftes, und Phantastisches die Realität überschreiten, ist alles andere als eskapistisch oder affirmativ, wie zwei Lieblingsvokabeln der Generation lauteten, die als vorerst letzte glaubte, im Morgengrauen der Revolution zu leben. Im Gegenteil, er sensibilisiert, weil er die Spannung zwischen Tatsächlichem und Möglichem, weil er den Verlust an Erfüllungsmöglichkeiten erst auf diese Weise spürbar macht.

Arno Backhaus’ Bildinhalte lassen sich selten auf einfache Aussagen reduzieren. Geradezu als Ausnahme erscheint das Bild eines Managers, dessen Kopf durch das Zifferblatt einer Uhr mit einem paradoxen Nimbus geschmückt wird und der buchstäblich die Fäden zieht und Kellner, Reinigungspersonal und andere „Dienstleister“ als Marionetten führt. Man kann dieses Bild als eine Allegorie der globalisierten Arbeit im Takt einer rein quantitativen Zeit lesen und es zugleich als Gegenstück zu den Müllmännern begreifen: Überdeutlich macht es manifest, was in jenen latent vorhanden ist.

Unspektakulärer, aber nicht minder wirksam, sind seine stilleren Bilder. Man muß sie nur lange und intensiv genug anschauen, dann schwingen die Farben und die Linien, dann gewinnt diese sparsam und sensibel konturierte Welt an Eigenleben. Dann spürt man fast körperlich, daß die Stechuhr nicht alles sein kann. Im Leben wie in der Kunst.


Prof. Dr. Andreas Kühne  / Christoph Sorger

 

Vorwort zum Katalog:

Arno Backhaus

2001 - 2006

All day


 

Elisabeth Rechenauer M.A.

Kunsthistorikerin

 

Arno Backhaus: Stille Bilder

18. Oktober 2012

 

 

Arno Backhaus prägnante Bilder machen es dem Betrachter nicht einfach, meine sehr geehrten Damen und Herren.


Auf den ersten Blick - aber nur auf den allerersten Blick – plakativ eindeutig, werfen die Arbeiten beim genaueren Hinsehen doch einige Fragen auf.


Aber lassen Sie mich zunächst kurz den Künstler vorstellen:

Der gebürtige Aschaffenburger Arno Backhaus begann seine künstlerische Ausbildung 1970 an der Zeichenakademie in Hanau, machte dort eine Ausbildung zum Goldschmied und besuchte anschließend die Fachhochschule für Gestaltung in Wiesbaden. Als Maler aber ist Arno Backhaus Autodidakt. Seit 1981 freischaffend kann er heute auf eine beachtliche Zahl von Einzelausstellungen (und Ausstellungsbeteiligungen) in renommierten Häusern zurückblicken. Zudem erhielt er Auszeichnungen wie das Prinzregent-Luitpold-Stipendium und das Stipendium der Matthias-Pschorr-Stiftung. Unter anderen kauften die Bayerischen Staatsgemäldesammlungen, das Museum der Stadt Aschaffenburg und das Museum der Stadt Wiesbaden Arbeiten von ihm an.

Seit ein paar Jahren nun lebt Backhaus in Stephanskirchen. In einem landwirtschaftlichen Anwesen in Inzenham bei Prutting hat er seit einem guten Jahr ein beeindruckendes, sehr großzügiges Atelier, wo seither die großformatigen Arbeiten entstehen.

Und damit zurück zu seinen Bildern, von denen uns einige heute in den Räumen des Stephanskirchner Rathauses präsentiert werden.  

                                        

Sie alle kennen den angesagten Stil gegenständlicher Bilder mit Themen aus aller Welt, die scheinbar eine Geschichte erzählen und doch manchmal austauschbar und beliebig bleiben.

 

Arno Backhaus jedoch hält in seinen Arbeiten, obwohl Titel wie „Bikinigirl“, „Matador“, „Marionettenspieler“ anderes vermuten lassen, keine gefälligen Momentaufnahmen aus aller Herren Länder fest, wie sie momentan in etlichen Rosenheimer Schaufenstern zu bewundern sind.

 

Backhaus malt ohne Fotovorlagen und sagt über seine Motivauswahl:„ Die Themen oder Inhalte müssen sich mir regelrecht ins Bewusstsein drängen, so dass ich sie als >malenswert< erachte und >ich mir ein Bild davon machen will<.“ Und weiter: …“Die Motive oder Bildideen mögen dem Betrachter vordergründig ziemlich wahllos erscheinen, denn er sieht z. B. ein Hulagirl neben einem Bürogänger… Während Herr X in München täglich in sein Büro geht, tanzt das Hawaimädchen für die Touristen! Während Herr Maier Laub saugt, hält ein kleiner Junge ein Holzgewehr in die Höhe – usw. Der Gleichzeitigkeit allen Geschehens und Handelns auf der Welt sowie der damit relativierte Wert oder Unwert dessen ist für mich als Gedanke von Bedeutung.“

 

Die Bildfindung geschieht bei Backhaus auf zweierlei Arten. Zum einen in der Umsetzung konkreter Ideen, mit Pastell-Vorzkizzen direkt auf die Leinwand, zum anderen - und hier kommt das Unbewusste ins Spiel - durch ein abstraktes, spontanes Malen und anschließendes Deuten, um wie er sagt: „Dinge zu finden, die in mir schlummern.“

 

Bei seinem Malstil fällt die Kunst des Weglassens auf, die klare Linienführung und gedämpfte, satte Farbigkeit. Durch Reduzierung der malerischen Mittel strahlen seine Bilder eine große Ruhe aus. Selbst das Hula-Girl oder Sisyphus scheint in den jeweiligen Bewegungen inne zu halten.

Fast naiv erzählte Botschaften, die Protagonisten mit nach innen gekehrtem Blick wirken seltsam melancholisch, lachen nie. Die ihnen zugeordnetem Attribute erscheinen nur angedeutet, fast surreal.

                                                   

In den „Berufsbildern“ – wie Arbeiter, Angler, Müllmann, Laubsauger, Matador, Maurer etc. stellt Backhaus Figuren dar, die stoisch gelassen, ja emotionslos ihrer Tätigkeit nachgehen. Keine Portraits individueller Personen blicken uns da entgegen. Es sind wie Chiffren eingesetzte Signets, die – jegliche Individualität vermeidend - diese Tätigkeitsfelder wertfrei aneinanderreihen und so einmal mehr ein eigenes Spannungsfeld zwischen den Bildern aufbauen. Zwischen den einzelnen Figuren entwickeln sich Beziehungen, Dramen, „Happy Ends“.

 

Waren in seinen früheren Arbeiten oft männliche „Helden“ dargestellt, so rücken in letzter Zeit die Frauen mehr in den Focus seines malerischen Interesses. Die Serie „Ave Maria Lola Lolita“ greift klischeehafte Rollenbilder auf, in die die Frau hineingedrängt wurde und auch heute noch oft so gesehen wird; die Frau als Mutter, Heilige oder Hure. Ein besonders schönes Beispiel ist hier die „Eva“, die gleich mehrere Äpfel im Feuer hat.

 

Armin Kratzert, Leiter der Redaktion Kunst und Literatur beim Bayerischen Fernsehen, hat den Backhausschen Bildtypus einer zumeist singulären Person einmal als “Ikone“ bezeichnet. „Ein Heiligenbild – aber von dieser Welt“. Dazu passt auch der wenig in die Tiefe gehende, oft monochrome Hintergrund; übertragen auf die Mittelalterlichen Ikonen war das ein Goldgrund, das Dargestellte besonders hervorhebend und erhöhend.                  

                                         

Also nicht um das Individuum geht es, sondern um allgemeine Fragen der Menschheit, frei nach dem Titel von Paul Gaugins berühmten Bild „Woher kommen wir? Wer sind wir? Wohin gehen wir?“, erweitert durch den Backhausschen Zusatz „Was tun wir?“

Und so erzählen uns diese „stillen Bilder“ doch Einiges über die großen existentiellen Fragen, die uns bewegen.

 

Ein kleines Hilfsmittel bei der Betrachtung der Arbeiten von Arno Backhaus möchte ich Ihnen noch mitgeben und zitiere noch mal den Künstler:

 

„Es geht mir in meiner Malerei weder um das Eine – noch um das Andere – Es geht mir um das dazwischen!“

 

Dieses „Dazwischen“ zu ergründen sind Sie jetzt herzlich eingeladen.

 

 

 

Endy Hupperich, Maler


Verletzliche Stärke

 

Als Arno mich fragte, ob ich eine Einleitung zu seinem Katalog schreiben könnte, sagte ich seltsamer Weise ohne zu zögern ja. Kurze Zeit später begann dann das Zweifeln, nie zuvor hatte ich für einen Kollegen einen Text geschrieben und wenn ich ehrlich bin, fällt es mir sogar sehr schwer über meine eigene Arbeit zu schreiben. Und dennoch habe ich mich daran gemacht etwas zu der Arbeit von Arno Backhaus zu schreiben. Es war spannend und interessant in die Arbeit eines Kollegen einzusteigen und Gefühltes und Gesehenes in Worte zu fassen.

 

Personen auf Papier und Leinwand, die vor einem stehen, scheinbar eine Geschichte zu erzählen haben - eingefroren und festgewachsen schauen die Personen durch uns hindurch. Sie erzählen uns davon, das wir sie beim Betrachten   in ihrer Beschäftigung gestöhrt haben. In seiner Malerei verzichtet Arno Backhaus auf die große Inszenierung, seine Arbeiten sind leise, der Zugang zu den dargestellten Figurationen und Inhalten ist nicht auffordernd, eher schüchtern und zurückhaltend. Oft scheint es so, das beim genaueren Betrachten der einzelnen Arbeiten, einem die Psyche der Dargestellten entgegen zu fallen droht. Im Verzicht auf Gestik und großen malerischem Duktus verweist er uns direkt auf fragile Zustände des Menschen. Mit Einfühlungsvermögen transportiert der Künstler Momente des Menschen in ihren Rollenzwängen in unserer Gesellschaft.

Die Besonderheit in den Bildern Backhaus liegt in der Psychologie der Dargestellten selbst und beschränkt sich nicht wie bei vielen "Trendmalern" auf das banale Abmalen langweiliger Fotos und Postkartenmotive, ohne jeglichen Inhaltsbezug. Er erfindet seine Bilder in der Auseinandersetzung mit der Gesellschaft und erzählt von den Möglichkeiten des Scheiterns.

Der Maler zweifelt und beweist damit eine verletzliche Stärke – weit weg von den Trends und nahe bei sich selbst.

 

Endy Hupperich im Juni 2006

 

 

Dr. Angelika Burger, Kunsthistorikerin

 

Zu den Arbeiten von Arno Backhaus

 

Eine leise Melancholie drücken seine Menschen in Gestalt und Gesichtern aus. Sie bieten sich uns frontal dar, mit leicht zur Seite geneigter Kopfhaltung, sanften Gesichtszügen und ebensolchen Bewegungen. Mit ihren großen, kräftigen Händen greifen sie die Gegenstände ihrer täglichen Arbeitswelt, berühren sie, umfassen sie. Es sind Menschen, meist Männer, die körper­licher Arbeit nachgehen, Vertreter eines Berufes - ob Philosoph oder Straßenarbeiter - und dennoch Träumer in ihrer Welt. Das Arbeitsgerät ist ihnen vertraut, gleichsam Spielzeug der Erwachsenenwelt.

So sind es in seinen großformatigen Acrylbildern beispielsweise die polnische Spargelstecherin, die den weißen Spargel sticht und aus der Erde zieht, der Müllmann, der mit seinen großen Fäustlingen den Container umgreift, der Glücksspieler, der das Geheimnis der Würfelbecher lüftet oder der Architekt, der die vor ihm stehenden stereometrischen Körper durch Anfassen begreift.

Arno Backhaus fügt seine kleinformatigen Bilder gerne zu inhaltlichen Gruppen, die Gegensätze ins Spiel bringen. In diesen Zusammenhängen kann er seine gesellschaftskritischen Anmerkungen, seine politische Ironie formu­lieren. So stellt er die gesellschaftliche Anerkennung des Toreros als männlichen Helden der gering geschätzten Putzfrau oder der Absurdität der auf einem elektrischen Bullen reitenden modernen Venus gegenüber. Inhaltlich kritisch zusammengestellt, dabei jedoch jede einzelne Arbeit in zarter Linien - und Farbsprache, reflektiert Arno Backhaus in der Gegenüberstellung das Los des italienischen Migranten als Pizzabäcker oder Nudelherstellerin und das des farbigen Schmuck - und Teppichhändlers an Italiens Stränden und bringt somit die Auswechselbarkeit der sozialen Situation als Denkanstoß zu Bewußtsein. Das Ringen um Geltung und Anerkennung beleuchtet Arno Backhaus mit einem belustigten Seitenblick in einer weiteren Gruppierung, wo sich diverse Stars, z.B. ein Baskettballspieler, ein gitarrespielender Beatnik sowie ein hoffnungsfrohes Bikinigirl begegnen und Arbeitern gegenüberstehen, deren harte Tätigkeiten sozial wenig Achtung genießen. Es sind der Müllmann oder ein Goldbarren transportierender Arbeiter des Fort Knox, der weit davon entfernt ist auch nur einen Barren als sein eigen nach Hause zu bringen, wenngleich er auch davon zu träumen scheint. Dazu gesellt sich ein Inspekteur, der den Bau eines chtigen Kreuzschiffs kontrolliert und die letzte Wartung vornimmt, hinter seiner Stirn könnte man auftauchende Träume von Reisen zu fernen Zielen ahnen.

Eine andere Gruppe thematisiert in unbeschwerter Weise das Thema Tanz. Tanz als religiös ekstatischer Akt der Gotteserkenntnis der um die göttliche Achse kreisenden Sufis, klassischer Tanz als Karriereweg mit dem Traum des Podestes, sowie als Ausdruck von Kult und Lebensfreude des Hawaimädchens oder als Animation zu sexueller Lust durch die an der Stange tanzende Stripperin. Eine, wie ich meine, besonders schöne Gruppe widmet sich dem Künstler, dem Maler selbst. In den einzelnen Bildern spiegelt sich Arno Backhaus in Künstlern, die ihm viel bedeuten, wie beispielsweise van Gogh, Henri Matisse und Max Beckmann. So mag die weiße Taube auf einer der Leinwände auch an Pablo Picasso erinnern und für die Suche des Künstlers nach Freiheit stehen. Der zu seinen Utensilien tauchende Maler unter der Tauchglocke kann die bildnerischen Erfindungen des Leipzigers Ulf Puder in den Sinn rufen.

Die träumerisch zart melancholischen, ruhig und unbe­schwert in sich ruhenden Vertreter der Arbeitswelt des Arno Backhaus heben sich - auch wenn es sich um Waffenhändler, Autoschieber oder Geldwäscher handelt - von den Gestalten eines Neo Rauch, seinen Industrie ­und Fabrikarbeitern, ihrer aggressiven Starre, ihrer alptraumartigen Unbeweglichkeit und Fremdlenkung ab. Sie entwerfen dazu gleichsam ein poetisch - humanes Gegenbild.

Das Thema der Berufsstände hat eine lange Tradition. Im frühen 6. Jh. illustriert der berühmte Holzschnitt des Petrarca - Meisters den hierarchi­schen Aufbau des Ständebaums für den Trostspiegel des Petrarca und 1568 brachte Jost Amman das Ständebuch mit Versen von Hans Sachs heraus.

Die Bologneser Maler und die sogenannten Bamboccianten widmeten sich inner­halb der Gattungen des Küchenstücks und Prunkstillebens Darstellungen bestimmter Berufsvertreter, so z. B. der Küchenmagd, dem Metzger oder der Marktfrau. Im frühen 20. Jh. erlebt die Darstellung von Vertretern bestimmter Berufe in Verbindung mit der Stilrichtung der Neuen Sachlichkeit bzw. des Magischen Realismus als auch der Photographie eine ausgesprochene Blüte. Man mag an die bekannten Photographien August Sanders Ende der Zwanziger, Anfang der Dreißiger Jahre von hohem dokumentarischen Rang denken oder an Gemälde von Otto Dix, Karl Hubbuch, Alexander Kanoldt und Helmut Kolle, von denen hervorragende Beispiele in der Pinakothek der Moderne, in München hängen.

Für den bedeutenden Vertreter der Neuen Leipziger Schule, Neo Rauch, spielt in der figurativen Malerei des frühen 21. Jh. die Arbeitswelt eine bildbestimmende Rolle. Hier handelt es sich um Arbeiter, Fabrik - und Industriearbeiter, die in riesigen Fertigungshallen, auf brachliegendem, gerodeten Gelände in alptraumhaft erstarrter Szenerie und in wie festgefrorenen, ferngesteuerten, marionettenhaften Bewegungen kontrolliert aggressiven Charakters als Formgießer, Tankwart, Bauarbeiter, Architekt, Elektriker, Bildschirmkonstrukteur, Boxer, Kampfsportier im Dienst einer gigantischen, sich verselbständigenden Fertigungsmaschinerie stehen.

Arno Backhaus schildert jedoch nicht - auch nicht in seinen großformatigen Acrylbildern - wie Käthe Kollwitz oder Heinrich Zille das Elend, die Verarmung, sondern seine Arbeiter, Handwerker, Bänker, Intellektuellen, Freiberufler, Dienstleister, seine Bosse, Kapitalisten, Waffenhändler und Autoschieber entbehren jeglicher Aggression, verrichten ihre Arbeit gelassen und in sich ruhend, ja gehen gleichsam träumerisch und träumend in ihren Tätigkeiten auf. Selbst Vertreter krimineller Tätigkeiten wirken unschuldig, spielerisch, ihren Wunschträumen folgend. Interessant ist Arno Backhaus Interesse an diesem globalen Thema der sozial unterschiedlich gewerteten Berufsstände, da wir heute einerseits von der Freizeitgesellschaft sprechen und andererseits das Thema Arbeit wie kein anderes von hoher Brisanz ist.

 

Dr. Angelika Burger

Ausstellungseröffnung,  Artothek, München, 12.07. 2006

 

 

Michael Langer, Künstler, Dozent für Kunsterziehung , LMU , München

 

Apex Kunstmagazin , Heft Nr. 10/90

 

Arno Backhaus                                                          

Metaphern des Unbewußten

 

 

Von heftiger Malerei, wie sie in Westdeutschland gegen 1980 mit schnellem Erfolg ihr Publikum fand, sprechen heute nur noch wenige. Sie hatte zunächst Erleichterung gebracht, indem sie das Kunstpublikum von der oft frustrierenden Entschlüsselung intellektuell verrätselter Konzeptualität befreite. Die Arbeiten der „neuen Wilden“ verbanden die gedankliche Aussage mit Emotionalität zu einer Ganzheit, die den Betrachter gefühlshaft betraf, bevor er räsonnierte und sich - abwägend – nach Wert oder Unwert des Ausgestellten fragte.

Das leichte Spiel der schnellen, ebenso intensiven wie kurzatmigen Bildproduktion inflationierte jedoch inzwischen und verflachte zugleich. Nur wenige der gegen 1980 hochgejubelten Maler konnten sich dem Abwärtstrend des Neoexpressionismus durch nüchterne Kalkulation und Verlangsamung des Arbeitsprozesses entziehen.

Blieb also der Postmoderne Aufstand spontaner Malerei nur Episode, und muß man ihn inzwischen als irrtümliche Abkehr von den gesegneten Wegen des konzeptuellen oder dem technischen Prozeß gegenüber affirmativen Kunstbetrieb bedauern?

Neogeometrismus, der Einbruch des Designi in den zweckfreien Kunstbereich, das wachsende Interesse für Computerkunst und ähnliche Tendenzen der Gegenwart und Zukunft werden trotz ihrer prinzipiellen Legitimation die grundsätzlichen Möglichkeiten einer jeweils gegenwärtigen und zeitgemäßen manuellen Kunstproduktion nicht in Frage stellen.

Kein technischer Fortschritt wird uns die Lust nehmen zu Fuß zu gehen oder ohne Maschinenhilfe unsere sexuelle Lust zu befriedigen. Genauso wenig werden wir bereit sein, auf Kunst, die ohne Maschinen oder die Hilfe elektronischer Apparate hergestellt wird zu verzichten. Sie wird geradezu als Sinnbild des Freiraums humaner Existenz, den zu gewährleisten den technischen Fortschritt erst sinnvoll macht, dienen.

Arno Backhaus gehört zu den Künstlern die unser Vertrauen auf eine legitime Zukunft einer Kunst als Produkt des traditionellen Manuellen Werkprozesses bestärken.

Seine beharrliche Vitalität hat ihn bisher auf allen Etappen seines künstlerischen Weges zu Resultaten beachtlicher Bildqualität geführt. Zugleich wuchs in konsequenter Schrittfolge die formale Selbständigkeit seiner Arbeiten.

Backhaus unternahm im Zeitraum zwischen 1975 und 1983 mehrere Reisen in Länder Südostasiens. Seine dadurch geprägte Vorstellung fand ihren Niederschlag in dem von ihm sogenannten „Dschungelbildern“, die etwa zwischen 1980 und 1983 entstanden. Obgleich sie noch weitgehend dem Trend spontaner Expressivität entsprachen, verblüfften sie bereits durch die Vitalität ihrer Bildsprache.

1983 wurden sie in einer Einzellausstellung in der „Galerie der Künstler“ gezeigt.

1986 kam es zu grundlegenden Änderungen des Malprozesses und folglich auch der Bildstrukturen. Der Künstler beruhigte den Pinselschlag und verschaffte den Bildern durch einen langsamen und in Schichten überlagerten Farbauftrag statische Ruhe. Die Figurationen wurden klarer, obgleich die Bildoberfläche, reliefartig gefurcht, die abstrakte Qualität eines Materialbildes erhielt.

1988 reduzierte Backhaus die malerischen Elemente seiner bisherigen Bildproduktion durch eine radikale Vereinfachung: Er schnitt figürliche und andere gegenständliche Formkomplexe des Bildvordergrundes aus der Bildfläche und verselbständigte sie, sodaß die Hängefläche des jeweiligen Ausstellungsraumes den Hintergrund bildet.

Vordergründig man mag man dadurch an Felix Droeses Wandapplikationen erinnert werden. Backhaus führt jedoch seine Schnitte aus ganz anderer Motivation als Droese und kommt zu eigenständigen Resultaten. Schon die reliefartige Struktur seiner Schnittformen und ihre komplexe Farbigkeit markieren seinen eigen Weg. Vor allem aber collagiert er später die ausgeschnittenen Teilformen übereinander und erreicht - im Gegensatz zu Droese – komplexe und räumliche Bildwirkung mit nur noch wenigen Durchbrüchen. Wie sehr Backhaus an der Bildstruktur seiner Arbeiten interessiert bleibt, wird aus gleichzeitig entstandenen Collagen ersichtlich, die aus geschnittenen, auf gemalte Bildflächen geklebten Teilformen bestehen.

Die Attraktivität der Schnittbilder führte 1988 und 1989 zu mehreren Einzelausstellungen. In der Münchner Galerie Bernd Dürr,

in der Galerie der Münchner Künstlerwerkstatt Lothringerstraße und im Kunstverein Gauting.

Seit Ende 1989 blieben die Flächen seiner Bilder wieder grundsätzlich geschlossen: Die Erfahrung der hartkanntigen Schnitte führte Backhaus jedoch durch das Malen scharf gerandeter Gegenstandsformen fort. Nur noch wenige gemalte oder collagierte Strukturen differenzieren die Binnenfläche der zentralen Bildformen. Um so markanter erscheint ihre gegenständliche oder

symbolhafte Bedeutung: Backhaus gewann aus Wachträumen seiner Erfahrung Darstellungselemente, die sich einer visuellen Typologie des Unbewußten zurechnen lassen: Das Urtier physischer Kraft hebt sich in glänzendem Schwarz vor hellem Hintergrund ab. Über ihm fliegt lichtblaue Hoffnung. Ein Unwesen Mensch steht abseits.

Immer wieder erscheint auf den Bildern der letzten Monate die Realität Mensch, Tier, Boot, Haus, Vogel, Erde wie von Unbewußtem reflektiert, und in physische Metaphern verwandelt.

In den etwa 15 Jahren seines künstlerischen Weges hat sich Arno Backhaus aus dem Sog der Trends zunehmend gelöst.

Seine bildnerische Sprache hat vor allem durch die Entscheidung zu Schnittformen an Klarheit gewonnen, die auch in seinen diesjährigen Bildern fortbesteht. Trotz der Reduzierung der malerischen Mittel blieb seine Malerei gegenüber jeder Kunst äußerer Perfektion, beispielsweise durch exakte Geometrie oder Stereometrie, auf Distanz. Sie will und kann nicht wie etwa

Vasarely mit seinen Bildern den zivilisatorischen Fortschritt ästhetisieren. Sie will vielmehr die Auswirkungen des hochtechnischen Zeitalters auf unsere Existenzweise thematisieren. Sie informiert uns, das sich unsere Psyche durch den hochtechnisierten, von den natürlichen Lebensbedingungen weit entfernten Alltag offenbar kaum verändert. Sie nährt sich aus archaischen Vorstellungen und Erlösung scheint sie nicht von Computern, sondern von uralten Hoffnungen zu erwarten.

So wenigstens müssen wir vermuten, da uns die eindringliche Intensität der Bilder von Arno Backhaus motiviert, seine bildnerische Aussage als Wahrheit zu akzeptieren.